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Leerstelle Die Großwäscherei “Schneeweiß”

from the audio walk In Stein Gemeißelt | Osnabrück

In Stein Gemeißelt
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Leerstelle Die Großwäscherei “Schneeweiß”

Leerstelle Großwäscherei “Schneeweiß” und ihre Säuglingsbaracke

Die Wohnsiedlung im Schiefer Weg am Leineufer gibt heutzutage keinen Hinweis darauf, dass hier einmal die 1882 gegründete Großwäscherei Schneeweiß (umbenannt in Steritex KG Schneeweiß) stand. Die Wäscherei versorgte nicht nur die Universitätskliniken, sondern erledigte auch Aufträge für das Heeresbekleidungsamt in Hannover. Das Unternehmen wurde somit als kriegswichtig eingestuft.

Um die Aufträge bewerkstelligen zu können, beschäftigte der Betrieb zwischen 1941 und 1945 bis zu 50 Zwangsarbeiter:innen. Diese stammten vor allem aus dem östlichen Europa. Das Unternehmen etablierte zum Zweck der Unterbringung eine eigene Lagerinfrastruktur. Besonderes Merkmal dieser war die 1944 errichtete Säuglingsbaracke, in der bis April 1945 mindestens 28 Säuglinge und drei Kleinkinder mit ihren Müttern untergebracht wurden.

Nachdem die Frauen im Lager Schützenplatz oder in der Krankenbaracke am Ludendorffring entbunden hatten, wurden sie mit ihren Kindern in das Säuglingslager verlegt. Während die Mütter in der Wäscherei körperlich anstrengende und gesundheitsschädigende Arbeit verrichten mussten, wurden die Säuglinge nur mangelhaft betreut. Die Mangelernährung und -versorgung führte dazu, dass fast die Hälfte der Säuglinge frühzeitig verstarb. So betrug in Göttingen die durchschnittliche Säuglingssterblichkeit bei Kindern von Zwangsarbeiterinnen 18 Prozent. Säuglinge von Frauen, die keine Zwangsarbeit leisten mussten, starben in 7,7 Prozent der Fälle.

Es sind keine Fotografien der Kinder und nur wenige Aussagen von Zeitzeuginnen überliefert. Bis heute gibt es keine Bestrebungen, den Ort in die lokale Erinnerungskultur einzupflegen. Die verstorbenen Kinder und die Mütter stellen nicht nur in Göttingen, sondern auch im gesamtdeutschen Gebiet eine oftmals vergessene Opfergruppe dar.

Geburtenpolitik von Zwangsarbeiterinnen

Im Zeitraum zwischen 1939 und 1945 sind in Göttingen 314 Geburten von Zwangsarbeiterinnen dokumentiert. Über 90 Prozent davon fanden zwischen 1943 und dem 8. April 1945 statt. Der Großteil der gebärenden Frauen stammte aus Polen und der Sowjetunion.

Der plötzliche Anstieg von Geburten im Jahr 1943 lässt sich mit der Intensivierung der Deportationspraxis aus dem östlichen Europa erklären. Die strikteren Maßnahmen führten zu mehr Deportationen junger Frauen. Andererseits spielte auch der Richtungswechsel bei der nationalsozialistischen Geburtenpolitik eine Rolle: Bis Ende 1942 durften schwangere Zwangsarbeiterinnen von ihrem „Arbeitseinsatz“ entlassen werden und in ihre Heimat zurückkehren, um dort ihre Kinder zur Welt zu bringen. Ab Dezember 1942 war dies verboten.

Gemäß der nationalsozialistischen Rassenideologie galt das Leben der Kinder von sowjetischen und polnischen Zwangsarbeiterinnen als „minderwertig“. Dies wirkte sich auf die Versorgung der Kinder aus: Obwohl Zwangsarbeiterinnen formal sechs Wochen Mutterschutz nach der Entbindung zur Verfügung standen, wurden sie oftmals bereits nach wenigen Tagen zur Wiederaufnahme der Arbeit gezwungen. So konnten notwendige Stillzeiten nicht eingehalten. Auch waren die Frauen häufig so unterernährt, dass sie ihren Kindern nicht genügend Muttermilch geben konnten.

Darüber hinaus wurden ab 1943 geheime Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen unter anderem an polnischen und sowjetischen Zwangsarbeiterinnen durchgeführt.

Die Verantwortlichen priorisierten den Arbeitseinsatz der Zwangsarbeiterinnen für die Kriegswirtschaft gegenüber dem „nicht-deutschen Lebens“ ihrer Säuglinge.

So wurden ihre schlechte Versorgung und der daraus folgende Tod willentlich in Kauf genommen.


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