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Gedenktafel für die Opfer von Zwangssterilisation

from the audio walk In Stein Gemeißelt | Osnabrück

In Stein Gemeißelt
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Gedenktafel für die Opfer von Zwangssterilisation

Gedenktafel für die Opfer von Zwangssterilisation

Seit dem 8. Februar 2011 erinnert eine Gedenktafel aus Messing an die Menschen, die in der Göttinger Universitätsklinik Opfer von Zwangssterilisation wurden.

Die Tafel befindet sich am ehemaligen Gebäude der chirurgischen Universitätsklinik am Käte-Hamburger-Weg 3, in dem sich heute das Seminar für Deutsche Philologie befindet. Die Tafel wurde 2010 auf Initiative der Studierenden Franziska Frome-Ziegler und Jonathan Kühne angebracht. Diese hatten sich im Rahmen eines Seminars bei Prof. Petra Terhoeven mit der Geschichte der Gebäude der heutigen Philosophischen Fakultät auseinandergesetzt.

Bereits im Kaiserreich und der Weimarer Republik gab es Befürworter:innen von „Rassenhygiene“. Nach diesem sozialdarwinistischen Konzept sollten als „rassisch minderwertig“ eingestufte Personen, welche für die Entwicklung der Gesellschaft vermeintlich schädlich seien, zwangssterilisieren werden. Auf diese Weise sollte das „biologisch minderwertige Erbgut“ ausgeschaltet und die „schwere Entartung aller Kulturvölker“ verhindert werden.

Am 1. Januar 1934 trat das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft. Dieses ermöglichte die Unfruchtbarmachung von sogenannten „Erbkranken“ und ebnete so den Weg zur willkürlichen Zwangssterilisation von Personen mit körperlichen und geistigen Behinderungen, aber auch von Homosexuellen, Alkoholkranken und allgemein sozial unerwünschten Personen. Ärzte wurden per Gesetz dazu verpflichtet, „erbkranke“ Personen, auch unter Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht, anzuzeigen.

787 Frauen und mehr als 800 Männer wurden in der Göttinger Universitätsklinik zwangssterilisiert. Der häufigste angeführte Grund war der sogenannte „angeborene“ oder „moralische Schwachsinn“. Dieser wurde in erster Linie über einen Intelligenztest überprüft, der den Fokus auf Urteilsfähigkeit, allgemeines Verständnis und schlussfolgerndes Denken legte. Bei Personen, die „kaum wesentliche Verständnismängel offenbarten“ wurde darüber hinaus ihr soziales Verhalten dahingehend überprüft, ob es „gegen die Rechtsordnung“ oder „die sittlichen Allgemeinvorstellungen“ verstieß. Dadurch fanden die, von den Nationalsozialisten als herrschenden Ordnung eingeführten „akzeptierten Verhaltensstandards“, Einzug in die Diagnostik. Diebstahl und Lügen, aber auch Ungehorsam oder Ablehnung der herrschenden Ordnung konnten dabei Gründe für eine Zwangssterilisation darstellen. Auch Homosexualität oder sexueller Kontakt über Rassengrenzen hinweg fielen in die Kategorie des Verstoßes gegen Verhaltensstandards. „Schizophrenie“ und „Manisch-depressives Irresein“ stellten die zweit- und dritthäufigsten Diagnosen dar. Zentral für die Einschätzung der anzeigenden Ärzte und der sogenannten „Erbgesundheitsgerichte“, welche Legitimität vortäuschten, waren jedoch, dass eine Vererbbarkeit dieser Krankheiten gegeben sei und diese den „Volkskörper“ schwächten.

Während die Zwangssterilisation von Frauen gut dokumentiert ist, sind die Aufzeichnungen über zwangssterilisierte Männer nur lückenhaft. Frauen wurde meist der Eileiter durchtrennt oder entfernt, seltener wurden Röntgenstrahlung oder Radiumeinlagen genutzt. Bei Männern wurde eine Kastration durchgeführt. Mindestens drei Personen kamen in Folge der Operationen in Göttingen zu Tode. Ca. 23 % der Patient:innen hatten mit Komplikationen zu kämpfen. Neben den physischen Folgen verursachten die Eingriffe für die Opfer gravierende psychische Schäden.

Nach dem Krieg erfuhren die Opfer von Zwangssterilisationen keine Entschädigungen. Erst mit einem Bundestagsbeschluss im Jahre 2011 wurden die Zwangssterilisierten als Opfer „typisch nationalsozialistischer Verfolgung“ akzeptiert. Um den Makel der „Erbkrankheit“ loszuwerden, mussten die Opfer Wiederaufnahmeverfahren beantragen. Die Bewilligung von Refertilisationsoperation bedeutete lange Wartezeiten und viele bürokratische Hindernisse.


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