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Leerstelle Göttinger Tageblatt

from the audio walk In Stein Gemeißelt | Osnabrück

In Stein Gemeißelt
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Leerstelle Göttinger Tageblatt

Leerstelle Göttinger Tageblatt

Im Gedenken an die Opfer von Propaganda und Polarisierung.

Presse und öffentlicher Rundfunk waren in der Zeit des Nationalsozialismus wichtige Kommunikations- und Propagandamittel. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 standen alle Zeitungen unter strenger Überwachung des Regimes. Doch auch vorher sympathisierten Medien des rechten politischen Spektrums mit ihren Ansichten. So auch in Göttingen, wo das Göttinger Tageblatt die Ideen rechts-nationalistischer Gruppen wie der NSDAP seit der Weimarer Republik verbreitete.

Es ist auch der Unterstützung des Göttinger Tageblatts zu verdanken, dass die NSDAP bereits 1924 erste Wahlerfolge in Göttingen erzielen konnte. In den folgenden Jahren radikalisierte sich die Stadt zunehmend. Die Zeitung trug durch antisemitische Äußerungen erheblich zu der positiven Haltung der Göttinger Bürger:innen gegenüber den Nationalsozialisten bei. Durch die Darstellung der Ideen des Nationalsozialismus als wählbare Alternative zu der, als sozialistisch, marxistisch und antinational dargestellten, Weimarer Republik konnte das Göttinger Tageblatt weite Teile der Bevölkerung für die NSDAP gewinnen. So kam es in den Kreisen der Göttinger Bürger:innen Kreisen auch zu Befürwortung der Pogrome gegen Göttinger Jüd:innen und Juden 1937 und 1938 sowie der Errichtung von „Judenhäusern“.

Das Göttinger Tageblatt ist ein prominentes Beispiel für die Bedeutung lokaler Medien in der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts während der Weimarer Republik. Obwohl das Göttinger Tageblatt seine NS-Vergangenheit, etwa zu seinem 100-jährigen Bestehen 2014, vereinzelt aufarbeitet, gibt es in der Stadt kein Mahnmal, welches an diese erinnert.

Geeignet für ein solches Denkmal wäre die heute als Fußgängerzone vielgenutzte Prinzenstraße in der Göttinger Innenstadt. In den 1930er Jahren befand sich dort das Redaktionsgebäude des Göttinger Tageblatts. Inspiriert durch Denkmäler wie die Stolpersteine könnte eine im Bürgersteig eingelassene Bronzeplatte installiert werden. Diese Platte könnte die Form einer Zeitung annehmen. Um deutlich sichtbar zu sein, sollte sie etwa einen Quadratmeter Fläche einnehmen. Auf der Platte soll neben der historischen Einordnung auch ein Schriftzug „Im Gedenken an die Opfer von Propaganda und Polarisierung“ erscheinen. Zudem sollte eine erklärende Schrifttafel auf Augenhöhe an der Hauswand neben der Bronzeplatte angebracht sein, um über das Mahnmal aufzuklären, mögliche Fragen zu beantworten und gegebenenfalls einen Gegenwartsbezug herzustellen. Passant:innen könnten so angeregt werden, sich der Rolle von Medien in der Gesellschaft bewusst zu werden und zu reflektieren.

Das Göttinger Tageblatt im Nationalsozialismus

Gruppen des konservativen und rechten politischen Spektrums trafen nach Ende des Ersten Weltkriegs auf breite Zustimmung in Göttingen. Mögliche Gründe dafür waren unter anderem hohe Arbeitslosigkeit und Armut in Folge der Weltwirtschaftskrise.
Dabei profitierten sie von der Unterstützung der Medien wie dem Göttinger Tageblatt. Dieses wendete sich früh dem radikal-nationalistischen Lager zu und kritisierte die Weimarer Republik seit den 1920er Jahre, als antinational und marxistisch.

Zudem trug das Tageblatt entscheidend zu der Verbreitung von Antisemitismus in Göttingen bei. Schon im März 1932 forderte das Göttinger Tageblatt den Kampf „gegen die Marxisten, Juden und Demokraten“. Diese Haltung verstärkte sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und der zunehmenden, staatlich gesteuerten Ausgrenzung und Verfolgung von Jüd:innen. So sei laut dem Göttinger Tageblatt durch die Zerstörung der Bremker Synagoge während der Novemberpogrome 1938 „ein Schandfleck aus dem Dorfbilde beseitigt“.
Auch berichtete die Zeitung mehrfach anerkennend über antisemitische Maßnahmen im Ausland.

Aufgrund seiner rechten politischen Orientierung durfte das Göttinger Tageblatt im Gegensatz zu anderen Zeitungen auch während des Nationalsozialismus bestehen bleiben. So konnte es sich zwischen 1932 und 1945 zur auflagenstärksten Zeitung Göttingens entwickeln.
Das Tageblatt bemühte sich seine Parteinähe zu wahren: So befolgte es in den meisten Fällen die Presseanweisungen des NSDAP Propagandaministeriums, gesteuert durch das 1933 etablierte Deutsche Nachrichtenbüro.

Das Beispiel des Göttinger Tageblatts bezeugt die hohe Bedeutung der Medien bei der Meinungsbildung der Öffentlichkeit. Es zeigt dabei vor allem die Gefahren eines Missbrauches auf und betont die Notwendigkeit kritischen Medienbewusstseins. Ein Mahnmal, welches an den Einfluss der Presse im Nationalsozialismus auch in Göttingen erinnert, könnte somit zur historischen und politischen Bildung in der heutigen Zeit beitragen.


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