Die Schiersteiner Brücke kennen junge Menschen nur als Baustelle, denn seit 2013 wird hier gebaut. Nachdem bei Wartungsarbeiten 2006 festgestellt worden war, dass die alte Brücke aus den 60er Jahren einsturzgefährdet war, durfte hier von einem Tag auf den anderen nur noch mit reduzierter Geschwindigkeit gefahren werden und für schwere LKWs war der Rheinübergang hier jahrelang komplett gesperrt.
Die Schiersteiner Brücke wurde zum Symbol für Sanierungsstau an Deutschen Infrastrukturen und tatsächlich sollten ihr, quer durch die Republik, weitere Brückensperrungen folgen. Dabei hatten die Ingenieure der 50er, 60er und 70er Jahre meistens solide gearbeitet - aber die Verkehrsentwicklung seitdem hat selbst die kühnsten Prognosen in den Schatten gestellt! Sie war zwar nicht der einzige, aber doch der Hauptgrund für das drohende Versagen zahlreicher Verkehrsbauwerke.
Für die Schiersteiner Brücke hieß dies, dass statt der bei ihrer Eröffnung 1962 prognostizierten 8 bis 20.000 Kraftfahrzeuge am Tag zuletzt 80.000 davon über sie hinweg rollten - die begrenzte Anzahl an sogenannten „Kraftwechseln“, für die sie konstruiert war, war somit um ein vielfaches schneller aufgebraucht als gedacht!
Um den Verkehr nicht vollständig unterbrechen zu müssen, wurde zunächst eine neue Brücke, leicht versetzt zur alten, fertiggestellt. Über sie läuft seit 2017 der Verkehr. Danach wurde die alte Brücke abtransportiert und mit dem Bau einer zweiten Brücke auf den alten Brückenpfeilern begonnen. Nach etlichen Verzögerungen soll nun auch diese Brücke Ende 2023 dem Verkehr übergeben werden. Auf der in den 60er Jahren lediglich für eine Bundesstraße konzipierten Trasse rollen die Fahrzeuge dann 6-statt bisher 4-spurig. Ob das in Zeiten der dringend benötigten Verkehrswende das richtige Signal ist, sei dahingestellt.
Immerhin sind Radfahrer und Fußgänger auf der neuen, alten Brücke dann regengeschützt unterwegs, denn ihre Wege sind unter die Fahrbahnen gehängt, mit Aussichtsplattformen auf den überstehenden Brückenpfeilern, die ja ursprünglich beide Richtungsfahrbahnen aufnahmen und nun nur noch einer Fahrtrichtung dienen müssen. Auch der Zugang für Radfahrer und Fußgänger zur Rettbergsaue, der neben der Fährverbindung stets die einzige Möglichkeit war, die Insel zu erreichen, ist wieder hergestellt worden.
Neben der Schiersteiner Brücke, direkt am rechten Rheinufer und zugleich am Kopfende des Schiersteiner Hafenbeckens gelegen, erhebt sich der weithin sichtbare Silobunker der Raiffeisengenossenschaft - das „Kraftfutterwerk Wiesbaden“ – wie ein Brückenwächter Mit seinem 55 Meter hohen Turm, seiner imposanten Kubatur und dem leuchtend hellen, weiß-grünen Anstrich, ist es eine der Landmarken der Region und zugleich eines jener Bauwerke, an denen sich Millionen von Menschen orientieren, ohne ihnen wahrscheinlich jemals bewusste Aufmerksamkeit zu schenken.